Enneagramm und Konfliktbearbeitung

Am 10.7.2015 veranstaltete die Regionalgruppe Bodensee - Oberschwaben im Bundesverband Mediation e.V. im Wirtschaftsmuseum Ravensburg eine Fortbildung für Mediatoren, Coaches und Interessierte zum Thema "Enneagramm". Referent war Herr Jürgen Werner, Freiburg. Er stellte das Enneagramm als Persönlichkeitstypologie vor und erläuterte dessen Nutzen und Aussagekraft für Zwecke der Mediation.

Das Enneagramm hat im Vergleich zu anderen Modellen der Persönlichkeitstypologie einen vergleichsweise geringen Bekanntheitsgrad unter Mediatoren und Konfliktbearbeitern. Es ist einerseits Modell - also eine idealisierte systematisierende Beschreibung der Wirklichkeit, andererseits Werkzeug, aus dem für bestimmte Situationen Erklärungen oder Verhaltensempfehlungen abgeleitet werden können. Es ist zwar noch nicht umfassend durch empirische Studien gesichert, jedoch eine Sammlung von Erfahrungswissen, das seine Qualität dadurch belegt, dass es im Prozess der Modellevolution über Jahrtausende bestehen konnte.

Die Grundaussage: normalerweise sind wir in unserem Verhalten frei und nicht festgelegt auf bestimmte Muster. Unter Anspannung und Aufregung, in Stresssituationen schalten wir dagegen auf eine Art Automatik um und folgen unbewusst einem Grundmuster, unsere gewohnheitsmäßige Art des Wahrnehmens, Denkens, Fühlens, Verhaltens. Dieses Grundmuster ist zwar ein individuelles, jedoch sind bestimmte typische Züge unterscheidbar.

Das Enneagramm (aus den griechischen Worten: 'ennea' und 'gramma'= neun Zeichen) ist die bildliche Darstellung eines Modells solcher menschlicher Charaktermuster und deren Beziehungen zueinander. Trotzdem wird den individuellen Variationen bewusst Rechnung getragen. Dargestellt wird das symbolisch als Kreis, auf dem 9 Punkte (jeweils für ein Grundmuster) über Linien mit jeweils zwei bestimmten anderen in besonders enger Verbindung steht. Über den Kreis ist jeder Punkt zudem mit allen anderen Punkten verbunden. Im Folgenden wurden von Herrn Werner dann ausführlich diese neun Persönlichkeitstypen und deren Beziehungen zu einander sowie deren Verhalten zu einander im Konfliktfall erläutert. 

In seiner ursprünglichen Absicht will das Enneagramm aufzeigen, wie festgefahren Menschen in den meisten ihrer Reaktionen sind und sich - wenn sie nicht bewusst nachdenken - selbst im Weg stehen. Sie scheinen einem heimlichen Drehbuch zu folgen.

Das Enneagramm kann im Kontext der Mediation bzw. Verhandlung in dreifacher Weise von Nutzen sein: Primär hilft es dem Mediator zur professionellen Selbstreflexion und Selbstklärung. Sekundär ermöglicht es Hypothesen und Hilfestellungen beim Umgang mit den streitenden Parteien. Es hilft beim Verständnis ihrer Denk- und Handlungsweisen. Es kann schließlich bei der Auswahl und dem Zusammenführen von Mediator und Partei nützlich sein, da bekanntlich die Beziehungsebene in diesem dreipoligen Verhältnis Grundlage für den Erfolg sein kann.

Details zu der Persönlichkeitstypologie in: Ulf Tödter / Jürgen Werner „Erfolgsfaktor Menschenkenntnis“, Cornelsen - Verlag.

Burkhard Römer Überlingen - Mitglied in RG Bodensee-Oberschwaben